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Friedensethische Meilensteine dürfen nicht verloren gehen

Worauf würde pax christi in einem aktuellen friedensethischen Grundlagentext fokussieren?

Erste Gedanken dazu stellt die pax_zeit (1_2020) – zugegebenermaßen holzschnittartig – vor. In den kommenden Heften wird es weitere Artikel dazu geben. Das Hirtenwort „Gerechter Friede“ (GF) aus dem Jahr 2000 ist ein wichtiger Meilenstein der Friedensethik für die Katholische Kirche in Deutschland. Der Gerechte Friede wird als eine neue Perspektive dem Konzept des Gerechten Krieges entgegengestellt. Nun hat die Kommission X, Weltkirche, der Deutschen Bischofskonferenz, die in friedenspolitischen Fragen eng mit der Kommission Justitia et Pax zusammenarbeitet, eine Redaktionsgruppe für „Gerechter Friede II“ eingesetzt. Dieser Schritt ist angesichts der weltpolitischen Entwicklungen in den zwanzig Jahren seit der Veröffentlichung des Hirtenwortes sehr begrüßenswert – zumal pax christi bereits im Jahr 2015 einen Kongress unter das Motto stellte: „Gerechter Friede weiterdenken“. 

Option für Gewaltfreiheit stärken 
Das Hirtenwort „Gerechter Friede“ analysiert überzeugend die Ursachen des Unfriedens. Soziales, Wirtschaft, Recht, Internationale Verhältnisse etc. werden in diesem Hirtenwort sorgfältig reflektiert und Wege aus den Gewaltverhältnissen gesucht. Der Raubbau an der Schöpfung durch die Industrienationen, das Wohlstandsgefälle und die ökonomischen Ausbeutungsstrukturen werden als Gefahrenherde gesehen, selbst wenn die Waffen schweigen. Auch wird betont, „dass Gewaltfreiheit nichts zu tun hat mit einer passiven oder gar feigen Haltung angesichts von Unrecht, Krieg und Gewalt.“ (GF 69) Das erste Kapitel „Gewaltfreiheit in einer Welt der Gewalt. Die biblische Botschaft vom Frieden“ schließt mit dem Gedanken: „Die geltende Weltordnung […] geht nüchtern vom menschlichen Hang zur Gewalt aus. Sie rechnet damit, dass bei einzelnen Menschen wie bei ganzen Völkern wider alle Vernunft Gewalt ausbrechen kann. […] Der Friede des messianischen Gottesvolkes setzt dagegen das Wunder voraus, dass Menschen Gott und einander vorbehaltlos vertrauen und deswegen völlig auf Gewalt verzichten können. Das als Wunder, das die Vernunft übersteigt, wahrzunehmen, vermag nur der Glaube. Aber die Vernunft kann durchaus einsehen, dass die Haltung, die diesem Wunder entspringt, die Grenzen der durch Gewaltandrohung gesicherten Ordnung zu überschreiten hilft. In diesem Sinne führt der Glaube die Vernunft über sich selbst hinaus, ohne sie von sich wegzuführen.“ (GF 56) Mein Resümee: In diesem Hirtenwort ist vieles, das nicht verloren gehen darf. 

Konflikte politisch bearbeiten 
Bei der Konzeption eines neuen Hirtenwortes muss es nach wie vor darum gehen, die biblische Option der Gewaltfreiheit konkret auf die politische Wirklichkeit zu beziehen. „Und gerade hier liegt die zentrale Herausforderung: Politische Instrumente zum Umgang mit Konflikten zu schaffen, die die Frage nach bewaffneten Interventionen als letztem Ausweg so weit wie nur irgend möglich überflüssig macht. Eine Gewöhnung an das Mittel der Gewaltanwendung kann es unter dem Vorzeichen des gerechten Friedens nicht geben.“ (GF 160) Nicht immer führte seit dem Jahr 2000 die gewaltfreie Option zu einer Ablehnung militärischer Einsätze durch Friedensfragen die Katholische Kirche. Die Annahme, es seien keine gewaltfreien oder gewaltärmeren Handlungsoptionen vorhanden, um einen Völkermord oder schwerste Menschenrechtsverletzungen an den Jesiden zu verhindern, führte im August 2014 zur Befürwortung der deutschen Waffenlieferung in die Konfliktregion Nord-Irak durch die Bischöfe. pax christi kritisierte diese Waffenlieferung in eine Konfliktregion scharf. In ihrem „Rüstungsexportbericht 2014“ betont die Gemeinschaft Kirche und Entwicklung (GKKE), dass sich die „punktuellen westlichen Interventionen […] einmal mehr als unzureichend und konfliktverschärfend erwiesen“ (S.82) haben. Dieser Fall steht exemplarisch für die Herausforderung vor der die Friedensethik steht. 

Konkretisierung für die Gewaltfreiheit 
Papst Franziskus hat mit seinen Worten zum Weltfriedenstag 2017 „Gewaltfreiheit als Stil einer Politik für den Frieden“ eingefordert. Er erteilt uns Christ*innen damit den Auftrag, gewaltfreie Maßnahmen gerade bei drohender äußerster Gefahr einzusetzen. „Gerechter Friede II“ ist gefragt, Klarheit zu schaffen, damit gerade in der Bewertung solcher Lagen nicht zurückgegriffen wird auf Notwehr in Form militärischer Intervention oder Waffenlieferung samt Ausbildung/Ertüchtigung. Denn gerade im Ernstfall des Friedens sind gewaltfreie Maßnahmen gefragt. Vertrauensbildung, Diplomatie, Prävention, Frühwarnsysteme, Abrüstung und Verhandlung sind Wegweiser zu diesem Ziel. Die „Catholic Non-Violence Initiative“ der pax christi-Bewegung setzt weltweit solche Impulse. Ich wünsche mir, dass die vielen kundigen pax christi-Mitglieder nun den Entstehungsprozess eines neuen friedensethischen Hirtenwortes begleiten und Impulse geben, die helfen, den Glauben an Gewaltanwendung als letztes Mittel der Gewaltminimierung zu überwinden und auf die „Ultima Ratio“ zu verzichten. 

Christine Hoffmann ist Generalsekretärin der deutschen pax christi-Sektion.



Call for papers Einladung friedensethische Impulse aufzuschreiben 
Die pax_zeit lädt alle pax christi-Mitglieder, die sich mit friedensethischen, theologischen und friedenspolitischen Fragen befassen, dazu ein, uns Texte zuzuschicken, die folgende Fragen beantworten: Worauf sollte sich ein Hirtenwort zum Thema Frieden aktuell fokussieren? Welche Impulse können die Deutschen Bischöfe jetzt geben, um den Weltfrieden zu fördern? Welche Themen müssen jetzt reflektiert und neu angestoßen werden? Mit diesen Texten kann das Thema in der pax_zeit und auf www.paxchristi.de weiter vertieft werden.